Klischees in der IT-Branche – ein ironischer Blick auf den Boys’ Club

“Real men program in C.“ „Du musst mit 12 schon an Rechnern herumgeschraubt haben, sonst wird das nichts mehr.“, „Aber du siehst doch gar nicht aus wie ein Nerd?“…..

Wer hätte gedacht, dass die Idee einfach „ein bisschen Programmieren“ zu erlernen mit so viel Dogmatismus und Glaubensfragen zu tun haben kann. Als ich vor einer Weile mit sehr viel Naivität an dieses Thema heranging, war mir das sicherlich nicht klar. Zum Glück, denn das hätte mich einfach nur abgeschreckt weiterzumachen. Es gibt nicht „den einen Weg“ sondern sehr viele. Daher möchte ich hier mit ein paar Klischees aufräumen, die mir immer wieder über den Weg laufen. Jedes Klischee habe ich tatsächlich zu hören oder lesen bekommen. Man möge es nicht zu ernst nehmen.

Man muss schon mit 12 Jahren Amigas auseinander geschraubt und umgekehrt wieder zusammengebaut, Diskettenlaufwerkspiele gezockt oder den Klodeckel je nach Situation zum eigenmächtigen Öffnen und Schließen programmiert haben. Alternativ für die etwas jüngere Generation: sich als pickliger, weißer, männlicher Jugendlicher die Wochenenden bei LAN-Parties mit Pizza und Cola im Keller der Schulfreunde herumgeschlagen haben.  Oder ganz aktuell: man muss Gamer sein und sich mit dieser Community identifizieren. Ich weiß nicht, ob ihr es wusstet, aber sowas privilegiert natürlich und wenn man nicht von Anfang an dabei war, kommt man nie wieder in diesen elitären Kreis. Ist fast so wie ein Golf-Club, nur ohne frische Luft.

Real men program in C. Alte weiße Männer, die in den 70er Jahren an Rechnern herumgeschraubt sagen so etwas. Sonst niemand. Und man findet diese cis-Typen in vielen Internetforen, manche pushen damit auch gerne ihr Ego. Problem dabei aus meiner Sicht: nicht für jeden eignet sich C als Programmiersprache. Wenn man vom Typ „und was kann ich jetzt damit machen“ ist, dann sind andere Sprachen … nun ja….ergebnisorientierter. Man sieht was man getan hat und welchen Effekt ein paar Zeilen Code auslösen können. Wo wir zum nächsten Thema kommen…

Man muss erstmal mit der Programmiersprache C anfangen, sonst nimmt einen ja keiner ernst. C ist sicherlich keine tote Sprache. Man lernt viel über den Aufbau eines Rechners dabei, wenn man sich mit ihr auseinandersetzt. Sie ist effizient und im Vergleich zu anderen Sprachen nicht allzu umfangreich. Und trotzdem ist sie nischig und nicht für jede angehende Programmiererin die beste Wahl um anzufangen. Wichtiger als C, ist es überhaupt mit einer Sprache anzufangen. Das kann auch eine objektorientierte, moderne Sprache wie Python oder Javascript sein. Denn viele Wege führen nach Rom und außerhalb des Vatikans werden auch noch andere Sprachen als Latein gesprochen. Letzterer Satz wird wieder einige triggern. Denn….

Programmieren und Sprachen haben nichts miteinander zu tun. Ja Programmieren ist etwas anderen als Sprachen lernen. Es hilft maximal am Anfang ein wenig, wenn man sich vergegenwärtigt, dass eine Programmiersprache auch eine Syntax hat, man gewisse Vokabeln braucht, dass viele Programmiersprachen ähnliche Wurzeln haben, teils ineinander übergehen. “Sprichst du eine, lernst du andere schneller” wäre für beide Themen gültig, oder auch, dass man das Wissen nutzen muss – wie alles das man lernt – um nicht einzurosten. Sowohl natürliche wie auch Programmiersprachen verändern sich um Laufe der Zeit. Soweit so gut. Man wird jedoch auch nicht automatisch zur guten Programmierer in wird, wenn man ein Sprachtalent mitbringt, um ein weiteres Klischee auszuräumen. Beides setzt einfach eine gewisse Intelligenz und Leidenschaft voraus. Aber ….

Man muss ein mathematisches Wunderkind sein. Programmieren ist keine höhere Mathematik, es geht los mit simpler Arithmetik. Die Fähigkeit logisch zu denken ist sicherlich hilfreich, aber man muss bestimmt nicht überdurchschnittlich intelligent sein. Wer solche Aussagen macht hat selbst keinen Plan.

Man muss ein abgeschlossenes Informatikstudium, besser einen Doktor haben um ermächtigt  zu sein, die erste Zeile Code schreiben. Viele Softwareenwicklerstellen setzen tatsächlich ein abgeschlossenes Informatikstudium (alternativ Mathe, Physik, o.ä.) voraus. Von daher schadet das sicherlich nicht, denn so wie unser deutsches System (hier ein Stempel, da ein Titel) tickt, ist das das Ticket für viele gute Stellen. Vieles davon ist aber einfach nur die Angst sehr begrenzter HRler:innen, die selbst nicht mal zwischen Java und Javascript unterscheiden können. Dennoch kenne ich kaum eine Branche, die durchlässiger ist und in der Quereinsteiger:innen mehr Chancen haben erfolgreich zu sein, als die IT. Und dann gibt es ja noch den Rest der Welt, in dem überall andere Regeln herrschen sowie den Wandel der Zeit, in dem der Trend definitiv in Richtung Skills statt Abschluss geht. Ist (noch) nicht vorhandene Uniabschluss also eine legitime Ausrede nicht mit der ersten Zeile Code anzufangen? Nope.

Alle Programmierer sind Kellerkinder, haben einen schrägen Humor, duschen nur einmal die Woche und wohnen noch bei Mama. Nun… es gibt sie…. Aber es gibt auch schwarze Schwäne. Hast du die schon mal im echten Leben gesehen? Ich auch nicht. Aber es gibt eine Vielzahl an anderen Menschen, die nicht in dieses Klischee passen. Auch ich habe in diesem Text mit Klischees gespielt, um manchen Themen Ausdruck zu verleihen, dennoch möchte ich darauf hinweisen, dass die Welt der IT sehr viel bunter und vielfältiger ist. Man begegnet immer wieder Stereotypen aus dem letzten Jahrhundert, aber sollte sich ganz sicher nicht davon abschrecken lassen, den eigenen Weg zu gehen. Und selbst wenn Programmieren nichts für dich ist, wirst du trotzdem viele spannende Berufe in der IT finden. Aber das ist eine andere Geschichte.

 

Weitere Links zum Thema:

Text von Ekaterina

Podcast vom Hasso Plattner Institut 

Gleichstellungsbericht der Bundesregierung

 

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