Wie Problemlösung funktionieren kann

Beim WeAreDevelopers Congress 2021 diskutierten Kriti Sharma (Gründerin von AI for Good, Forbes Magazin „30 under 30 – Technology List“) und Sir Tim Berners-Lee (Erfinder des World Wide Web) über die Art, wie (junge) Developer an Projekte herangehen können und welche Fragestellungen dabei helfen können, ein Problem zu lösen. Dabei ging es gar nicht mal so sehr um spezifische Development-Projekte, sondern ganz allgemein um Problemlösungen wie wir sie tagtäglich erleben.

Die erste Fragestellung, die dabei hilft ist: Welches (große) Problem löse ich?

Nur wenn du weißt, welches Problem du eigentlich lösen möchtest, kannst du dich damit beschäftigen, es in kleinere Lösungsansätze runterzubrechen. Wenn also das große Problem die Klimakrise (einfach mal als Beispiel) ist, kannst du dies in kleineren Ansätzen angehen, denn ein riesiges Problem ist nunmal nicht einfach so ad hoc lösbar. In diesem Beispiel könnten also die Lösungsansätze sein:

  • Wie lässt sich CO2 aus der Athmosphäre heraus holen?
  • Wie viele Bäume muss ich pflanzen, um den CO2 Verbrauch meines Wohnorts zu kompensieren?
  • Welche Alternativen zu Lithium-Ionen Akkus könnten die E-Mobilität verbessern?
  • Wie lassen sich Server-Farmen besser kühlen, um weniger Strom zu verbrauchen?
  • Wie können Privathaushalte Sonne, Wind und Wasser als autarke Energiequelle nutzen?

Das als Denkanstöße für all diejenigen, die von den großen Problemen abgeschreckt sind. 😉
Die Herangehensweise lässt sich natürlich auch im Development umsetzen: Wenn mein Ziel ist, eine App zu entwickeln, muss ich mir vorher auch überlegen, wie dies im Detail aussieht, welche Funktionen sie haben soll und wie ich diese entwickle, welche Schnittstellen ich evtl. brauche, welche Prozesse sich abspielen usw.

Die weitere Fragestellung, die sich bei jeder Innovation oder Entwicklung stellt ist: Was sind potenzielle kriminelle Anwendungsmöglichkeiten? Wie kann ich dies verhindern? Was ist das worst-case-Szenario?

Hierbei geht es allerdings nicht darum, den Kopf in den Sand zu stecken, weil man befürchtet, es geschehe nur Böses! Es geht vielmehr darum, dass man sich von Anfang an Gedanken darüber macht, ob das entwickelte Produkt in eine kriminelle Richtung abdriften kann oder die Wahrscheinlichkeit besteht, dass sich ein Debakel abspielt. Mit Sicherheit lässt sich nicht alles voraussehen, in welche Richtung letztendlich eine Entwicklung führt. Ganz nach dem Motto „Hope for the best, prepare for the worst“ solltest du dir immer überlegen, wo es Szenarien gibt, die ungut sind und wie du diese vermeiden kannst.

Die nächste Frage lautet: Wie muss die zugrundeliegende Infrastruktur sein?

Hier berichtete Sir Tim Berners-Lee von den Anfängen des Internets und wie sich dieses entwickelt hat. Auch die Infrastruktur entwickelt sich ständig weiter. So ist es nicht verwunderlich, dass die Fragestellung ein wichtiger Punkt in der Problemlösung ist. Ein ganz großes Beispiel, das ich an dieser Stelle wieder einmal nenne ist: Ein Teilnehmer auf einer Konferenz erzählte mir, dass er in Südafrika bessere Internet- und Mobilfunkverbindungen hat als in Deutschland. Ist vielleicht eine kleine Problemlösung, dass wir in Deutschland einfach als erstes die Infrastruktur des Internets angehen?

Zum anderen geht es bei der Infrastruktur natürlich auch um Hardware und Software. Nehmen wir wieder das Beispiel der App-Entwicklung: Statt wie zu Beginn für zwei oder drei verschiedene Systeme zu entwickeln, müssen heute viele Apps für mehr Betriebssysteme angepasst werden. Auch Webseiten werden für die 4 gängigsten Browser optimiert. Die Vielzahl der Systeme bedeutet auch immer eine Entscheidung, ob man nur eines oder mehrere davon in die Entwicklung mit einbezieht. Auch die Vielzahl an Geräten, auf denen Apps und Webseiten einwandfrei laufen müssen, bergen Fehlerpotenzial. Manchmal sind es nur minimale Abweichungen, die im Development zu extra Aufwänden führen. All dies gilt es also zu berücksichtigen.

In der analogen Welt gibt es allerdings ähnliche Beispiele. Setzt man zum Beispiel voraus, dass Benutzende bestimmte Geräte haben, um ein Produkt richtig bedienen zu können? Setze ich zum Beispiel voraus, dass eine Schere im Haushalt verfügbar ist? Warum packt IKEA zu seinen Möbel-Paketen teilweise einen Imbusschlüssel mit dazu? Warum verkaufen viele Kaffeemaschinen-Hersteller gleichzeitig auch passende Tassen? Warum haben E-Autos nicht alle den gleichen Ladestecker? Wenn du also ein Problem lösen möchtest, überlege dir gut, was an zugrundeligender Infrastruktur notwendig ist.

Die finale Fragestellung ist: Gibt es Gesetze oder Richtlinien, die verändert werden müssen? Welche Regulatoren sind im Spiel?

Natürlich ist es wichtig, sich an Gesetze zu halten. Genauso ist es aber auch notwendig, dass Gesetze mit Neuerungen und Entwicklungen sich ändern, was vielmals Jahre oder gar Jahrzehnte dauern kann. Ein ganz aktuelles Beispiel ist der so genannte Upload-Filter, der hitzig diskutiert wird. Auch die DSGVO war für viele Web- und App-Entwicklenden eine ordentliche Herausforderung (ganz zu schweigen von Kleinunternehmen). Es gibt also einerseits Richtlinien und Gesetze, die bereits vorhanden sind, andererseits aber auch welche, die noch gar nicht existieren und vielleicht durch deine Entwicklung erst ins Leben gerufen werden (müssen).

Ein Beispiel: Im Jahr 1999 wurde Napster entwickelt, eine Musik-Tauschbörse, die über das Internet die eigenen MP3-Dateien an einen Server lieferte, wo wiederum andere Napster-User die Musik abgreifen konnten. Die User hat es gefreut, die Musikindustrie sah allerdings ganz erheblich die Urheberrechte ihrer Künstler verletzt und für Napster hagelte es mehrere Klagen. Der Beliebtheit des Dienstes tat es allerdings keinen Abbruch. Die Weiterentwicklung des Dienstes wurde durch zahlreiche Kooperationsverträge mit namhaften Musik-Produktionsfirmen und einem kommerziell untermauerten Angebot legaler, parallel dazu lieferten immer wieder neu auftretende Klagen die Rechtsprechungen, die das Urheberrecht verwandelten. Die Grundidee hat sich also weiterentwickelt und hat im gleichen Zug das Urheberrecht für Musikproduzierende geändert.

Natürlich sind Rechtsstreite teuer und nicht jedes Startup kann sich einen solch mühsamen Weg leisten. Aber: Lass dich nicht von aktuell gültigen Gesetzen komplett einschüchtern und nimm diese nicht als absolut unveränderbar wahr. Es gibt viele Wege, die Welt zu verändern, und wenn dazu eine Gesetzesanpassung notwendig ist, finde eine Möglichkeit, diese anzustoßen.

Fazit

Probleme lassen sich nicht schnell und unüberlegt lösen. Es braucht Überlegungen, die manchmal auch länger dauern als die Umsetzung selbst, aber dennoch wichtig sind. Denn nachhaltige Lösungsansätze entstehen nicht auf die Schnelle, sondern mit einem langen Entwicklungsweg, der durchaus auch mal unangenehm werden kann.

Auch wir von Women in Tech e.V. sehen uns immer wieder mit Hürden konfrontiert, die wir am liebsten schnell und einfach beseitigen wollen. Die Mühlen der Bürokratie und Gesetzgebung mahlen aber nunmal langsam, aber wenn wir gar nichts tun, wird sich auch nichts verändern. In diesem Sinne: Lasst uns die Probleme dieser Welt anpacken – one small step at a time.

 

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