Interview mit Anne de Kruijff, Assistant Plant Manager in einem chemischen Produktionsbetrieb

WIT: Hallo, Anne, Bitte erzähle uns doch einmal kurz von dir persönlich
Anne: Hi! Ich bin Anne, 33 Jahre alt und wohne mit meinem Mann, zwei Kindern und zwei Katzen in Mühldorf östlich von München. Vorher war ich zehn Jahre in Ludwigshafen am Rhein und ursprünglich komme ich aus einem kleinen Dorf im Westen von Niedersachsen. Ich mag Glitzer, Videospiele und Schokolade.

WIT: Was machst du beruflich?
Anne: Ich bin als Betriebsassistentin / Assistant Plant Manager in einem chemischen Produktionsbetrieb. Studiert habe ich Prozesstechnik und Wirtschaftsingenieurwesen und zusätzlich einen IHK-Abschluss als Chemikantin.

WIT: Was genau versteckt sich hinter deiner Berufsbezeichnung?
Anne: Als Teil der Betriebsleitung bin ich verantwortlich dafür, dass unsere Anlagen sicher, pünktlich, effizient und in der benötigten Qualität produzieren. Das heißt, ich betreue die täglichen Produktionsabläufe, kümmere mich um die Optimierung von Anlagen- und Organisationsprozessen und stelle sicher, dass die Anforderungen an Arbeits- und Prozesssicherheit erfüllt sind.

WIT: Wie bist du dazu gekommen, einen technischen Beruf zu wählen?
Anne: Als das Ende meiner Schulzeit so langsam absehbar war, wollte ich mir erstmal nur alle Optionen offen halten und habe mich bei verschiedenen Firmen in verschiedenen Bereichen auf duale Studiengänge beworben. Eigentlich habe ich aber eher zu einem “normalen” Vollzeitstudium tendiert – bis mich im Laufe der Bewerbungsrunden die chemische Industrie so fasziniert hat, dass ich dann doch den dualen Ausbildungs- und Studienplatz angenommen habe.

WIT: Wer oder was hat dich am meisten inspiriert, einen technischen Beruf zu wählen?
Anne: Da fällt mir ehrlich gesagt keine konkrete Person ein, ich habe mich eher “treiben lassen”. Wobei, es gab da so einen ehemaligen Lehrer, der jahrelang fest überzeugt war, ich müsse unbedingt Lateinprofessorin werden. Dem wollte ich schon gerne zeigen, dass ich auch was anderes kann.

WIT: Hat dich Technologie und/oder Programmieren schon immer interessiert?
Anne: Meine Mama behauptet bis heute, ich hätte schon die Stereoanlage bedienen können, bevor ich Laufen gelernt habe.

WIT: Haben deine Eltern und Lehrer deine Vorliebe und dein Interesse für Technik gefördert?
Anne: Meine Eltern haben mich und meinen Bruder grundsätzlich vielseitig gefördert. Da war alles dabei von Kindertheater und Kunstmuseen über Teichwasser mikroskopieren bis hin zum Schießbaumwolle kochen auf der Terrasse.

WIT: Was gefällt dir an deiner Tätigkeit am meisten?
Anne: Die Abwechslung. In der Produktion weiß man nie, was als nächstes ansteht – oft ist schnelles, sicheres Reagieren auf neue Umstände notwendig. Gleichzeitig müssen wir aber auch immer recht weit in die Zukunft denken und planen und unsere Prozesse langfristig weiterentwickeln.

WIT: Was ist für dich das Schönste an deinem Arbeitsalltag?
Anne: Zu wissen und zu sehen, dass ich mit meinen Kenntnissen und meiner Erfahrung einen sinnvollen Beitrag dazu leisten kann, dass der Laden rund läuft. Und die Zusammenarbeit mit dem Team ist sehr angenehm und entspannt.

WIT: Wo findet man dich in der Freizeit am ehesten?
Anne: Meine Kinder sind 3.5 und 1.5 Jahre alt, also tendenziell auf irgend einem Spielplatz, eine Schaukel anschubsend.

WIT: Welche Botschaft möchtest du Frauen oder Mädchen mitgeben, die sich für Technik interessieren?
Anne: Ihr dürft euch zutrauen, dass ihr das könnt!

WIT: Welchen Ratschlag verfolgst du bis heute?
Anne: Ich bin kein Fan von “inspirierenden Zitaten”, Lebensmottos oder so was. Gute Ratschläge haben mir schon viele Leute gegeben, aber ich wüsste jetzt nicht einen einzelnen besonders einzigartigen, der mich dauerhaft begleitet.

WIT: Welchen Herausforderungen begegnest du speziell als Frau in deinem Beruf?
Anne: Gerade zu Beginn war die Kombination aus sehr jung & weiblich in einer Führungsposition schon manchmal hart. Es waren immer wieder einzelne Personen dabei, von denen ich mich nicht ernst genommen gefühlt habe oder wo ich den Eindruck hatte, ich muss ein Mehrfaches leisten im Vergleich zu männlichen Kollegen, um als gleichwertig wahrgenommen zu werden.
Inzwischen nehme ich das nicht mehr so stark war, das liegt aber sicher auch mit daran, dass ich mit mehr als 10 Jahren Erfahrung jetzt viel selbstsicherer auftrete.

WIT: Welche Tipps hast du für Bewerbungsgespräche für technische Positionen?
Anne: Mit Respekt in das Gespräch gehen, aber es auch nicht zu ernst zu nehmen. Sich bewusst sein, dass man sich nicht nur als Bewerber bei der einstellenden Firma bewirbt, sondern auch umgekehrt.

Die erfolgreichsten Bewerbungsgespräche waren bei mir immer die, in die ich völlig ohne Druck gegangen bin, so dass ich ganz locker damit umgehen konnte und mich auch mal getraut habe, einen Scherz zu machen.

WIT: Frauen in technischen Berufen sind ja leider noch eine Minderheit. Was sind deine Gedanken zu diesem Thema?
Anne: Das bleibt ein heißes Thema. Wenn ich mir anschaue, wie die Spiel- und Bekleidungswelten von Jungs und Mädchen heute teilweise strenger nach rosa vs. hellblau, Glitzer vs. Matsch und Schminkset vs. Arztkoffer durchgegendert sind als vor 30 Jahren, dann wird mir übel. Meine Nichten zum Beispiel kokettieren zum Teil damit, keine Ahnung von Mathe zu haben, weil sich das für Mädchen halt so gehört. Die Gesellschaft muss viel früher ansetzen, Rollenklischees bewusst bei den ganz Kleinen zu durchbrechen, sonst hilft uns auch keine Frauenquote und kein noch so gutes Mentoringprogramm in der Berufswelt.

WIT: Was verbindet dich mit Frauen in der Technik?
Anne: Die Frauen, mit denen ich bisher zusammengearbeitet habe, waren in der Regel überdurchschnittlich fähig und motiviert. Sie halten zusammen und unterstützen sich gegenseitig.

WIT: Bitte beschreibe eine herausfordernde Situation, der du in deinem Beruf in der Vergangenheit begegnet bist.
Anne: Mit technischen Herausforderungen bin ich eigentlich immer gut zurecht gekommen. Hart fand ich persönlich eher die diplomatischen Herausforderungen, zum Beispiel zwischen gegenläufigen Interessen vermitteln zu müssen.

WIT: Wohin möchtest du dich zeitnah beruflich und persönlich weiter entwickeln?
Anne: Ich bin gerade erst wieder eingestiegen nach dreieinhalb Jahren Elternzeit, zwar in einer ähnlichen Position wie vorher aber in einer anderen Firma mit anderen Strukturen. In meinem Tätigkeitsfeld sind Einarbeitungszeiten lang, da viel Prozesswissen aufgebaut werden muss. In nächster Zeit konzentriere ich mich also erstmal darauf, ganz in meine neue Rolle reinzuwachsen.

WIT: Wer sind deine persönlichen oder beruflichen Role Models?
Anne: Ein Vorbild im klassischen Sinne, an dem ich mich direkt orientiere, habe ich nicht. Mir fallen aber eine Menge toller Menschen, Kolleg:innen und Chef:innen ein, von denen ich mir in bestimmten Bereichen noch etwas abschauen kann.

WIT: Vielen Dank für das Interview, Anne!

 

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Kategorien: Interviews
Regina
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