Interview mit Anette Davids, Softwareentwicklerin

WIT: Hallo, Anette, bitte erzähle uns doch einmal kurz von dir persönlich.
Anette: Ich bin 1965 geboren, bin die Älteste von 4 Töchtern, habe als Kind 7 Jahre in den USA nahe New York gelebt, habe ein Mädchengymnasium besucht und dann Mathematik studiert.
Ich bin verheiratet und habe zwei erwachsene Töchter.
In meiner Freizeit bin ich meistens bei meinen Pferden oder mit meinem Mann unterwegs – Wandern oder Motorradfahren – je nach Jahreszeit.

WIT: Was machst du beruflich?
Anette: Ich bin Softwareentwicklerin, spezialisiert auf Microsoft Dynamics NAV / BC bzw. ERP-Systeme.
Seit 2021 betreibe ich zudem ein Coworking Space für Frauen und gebe Schnupperkurse in Programmierung für Mädchen und Frauen.

WIT: Was genau versteckt sich hinter deiner Berufsbezeichnung?
Anette: ERP-Systeme sind kaufmännische Software, d.h. Unternehmen nutzen diese, um ihre Lagerwirtschaft, Buchhaltung, Verkauf, Einkauf etc. abzuwickeln.
Als Entwicklerin setze ich in der Regel individuelle Wünsche meiner Kunden um, um die vorhandene Software zu ergänzen oder erweitern.

WIT: Wie bist du dazu gekommen, einen technischen Beruf zu wählen?
Anette: Ich habe an einem Mädchengymnasium Abitur gemacht mit den Leistungsfächern Mathematik und Chemie. Zunächst wollt ich Chemie studieren, weil mir das Fach in der Schule soviel Spaß gemacht hat. Ich bin jedoch seinerzeit bei einem Besuch in einem chemischen Werk von zwei Frauen so abgeschreckt worden (weil sie klipp und klar die Vereinbarkeit von Kind und Karriere in ihrem Beruf verneint haben), dass ich mich für ein Mathestudium entschieden habe – OHNE eine Idee zu haben, wie meine Arbeit später aussehen würde. Einfach nur, weil ich Mathe so geliebt habe.
Während des Studiums habe ich dann Kontakt zur Programmierung bekommen und dann diesen Weg nach dem Studium eingeschlagen.

WIT: Wer oder was hat dich am meisten inspiriert, einen technischen Beruf zu wählen?
Anette: Meine Lehrer in der Schule, die mich in meinen Leistungsfächern so bestärkt haben.

WIT: Hat dich Technologie und/oder Programmieren schon immer interessiert?
Anette: Als Kind habe ich gerne mit Lego gebaut und mit zB mit dem Mikroskop beschäftigt.
Ich habe Mathe, Physik und Chemie in der Schule immer gerne gemacht – allerdings habe ich auch gerne Sprachen gelernt.
Als es die ersten Computer in der Schule gab (ich habe 1984 Abitur gemacht), habe ich auch bei dieser AG mitgemacht.
Aber ich habe erst im Laufe meines Studiums echten Kontakt zur Programmierung bekommen.

WIT: Haben deine Eltern und Lehrer deine Vorliebe und dein Interesse für Computer gefördert?
Anette: Mein Vater war Elektroingenieur, und wir waren zu Hause 4 Mädchen. Ich habe somit immer auch den Blick unter die Motorhaube des Autos werfen dürfen, ich habe Lego und Mikroskop gehabt. Einen Chemiebaukasten habe ich mir gewünscht, aber das war meine Eltern zu gefährlich 🙁

WIT: Was gefällt dir an deiner Tätigkeit am meisten?
Anette: Programmieren ist wie ständiges Rätsellösen. Dazu kommt, dass ich mit meiner Arbeit meine Kundschaft zufriedenstellen kann – ich habe direkten Kontakt zu den Menschen, die meine Arbeit nutzen.
Die Kreativität gefällt mir an der Programmierung, die Selbstbestimmtheit gefällt mir bei meiner Selbstständigkeit, der Austausch gefällt mir am Coworking Space, und die Kurse gefallen mir sowieso – ich liebe es auch, Wissen zu vermitteln.

WIT: Was ist für dich das Schönste an deinem Arbeitsalltag?
Anette: Das kann ich nicht mit einem Satz beantworten.
Beim Programmieren sind es die kleinen Erfolgserlebnisse, wenn einfach etwas funktioniert, so wie ich es programmiert habe.
Bei meinen Kursen macht es mir Freude, wenn Mädchen genau diese Erfahrung machen: dass sie ihre Wünsche umsetzen können mit Hilfe von Programmierung.
In meinem Coworking Space macht es mir Freude, wenn sich die Frauen hier auch außerhalb der Arbeit vernetzen und sich so eine wundervolle Gemeinschaft entwickelt.

WIT: Wo findet man dich in der Freizeit am ehesten?
Anette: Draußen.
Bei den Pferden (ich habe eine alte und eine junge Trakehner Stute), im Garten, beim Wandern oder auf dem Motorrad.

WIT: Welche Botschaft möchtest du Frauen oder Mädchen mitgeben, die sich für Technik interessieren?
Anette: Überlasst die spannenden Themen nicht den Männern bzw. Jungs, nur weil sie sich gerne eifrig nach vorne stellen – die Welt der technischen Berufe ist so vielseitig und bietet gerade Frauen so gute Möglichkeiten der Vereinbarkeit von Beruf und Familie – einfach mal ausprobieren!

WIT: Welchen Ratschlag verfolgst du bis heute?
Anette: Love it, change it or leave it.

WIT: Welchen Herausforderungen begegnest du als Frau in deinem Beruf?
Anette: Tatsächlich im Umgang mit der Kundschaft nur wenigen – dort ist die Akzeptanz oft sehr hoch und ich habe viel Wertschätzung erlebt.
Im Umfeld des Unternehmens hab ich manchmal Kollegen erlebt, die nicht gut vertragen konnten, dass ich in diesen männerlastigen Runden nicht bereit war, quasi “wie ein Mann” da mitzulaufen.
Das betraf Team-Aktivitäten sowie auch die Witzkultur o.ä.
Die Teilzeitphase (ich habe mit meinem Mann die komplette Kinderphase geteilt, habe also immer 20-30 Stunden gearbeitet) habe ich als Rückschlag in der Karriere erlebt, es haftete immer ein “nur” an der Teilzeit.

WIT: Welche Tipps hast du für Bewerbungsgespräche für technische Positionen?
Anette: Selbstbewusst sein. Nicht versuchen, einen Mann darzustellen, aber auch nicht kokettieren, sondern sachlich und selbstbewusst auch auf manchmal dreiste Fragen zu reagieren.
Nur so kann frau sich den Respekt verschaffen und überzeugen, dass sie dem Umfeld gewachsen ist.
Wenn das Selbstbewusstsein noch nicht so groß ist, kann ein Coaching vielleicht helfen.

WIT: Frauen in technischen Berufen sind ja leider noch eine Minderheit. Was sind deine Gedanken zu diesem Thema?
Anette: Ich habe mich genau deshalb selbstständig gemacht, um Frauen und Mädchen zu ermutigen, in die IT zu gehen. Es ist so wichtig, dass sie sich nicht selbst die Fähigkeiten absprechen zu einem Berufsfeld, was neben guten Verdienstmöglichkeiten auch so eine hohe Flexibilität bringt – quasi der perfekt Schutz vor Altersarmut auch bei Trennung o.ä.
Und es ist genauso wichtig, dass die IT insgesamt diverser wird.
Die gesamte technische Welt und die IT brauchen Frauen, um bei der Entwicklung den Bias zu minimieren – BreakTheBias!
Und es geht mir dabei nicht um die Unternehmen, die nach Fachkräften suchen, sondern es geht mir um mehr Gerechtigkeit und Gleichstellung in den Programmen, Algorithmen und den technischen Produkten.

WIT: Was verbindet dich mit Frauen in der Technik?
Anette: Immer, wenn ich mit anderen Frauen aus dem technischen Umfeld zusammenkomme, spüre ich eine Form von Vertrautheit, die vermutlich aus den ähnlichen Erfahrungen resultiert.
Und fast alle wünschen sich, anderen Frauen Mut zu machen, sich die technischen Berufe zuzutrauen. Das verbindet.

WIT: Bitte beschreibe eine schwierige Situation, der du in deinem Beruf in der Vergangenheit begegnet bist.
Anette: Ich habe viele Software-Umstellungen erlebt und als Entwicklerin mit Tools unterstützt.
Bei einer Umstellung kam es trotz Tests zu der Situation, dass mich der zuständige Consultant, der für die Migration verantwortlich war, am Vorabend des Echtstarts anrief, um mir zu sagen, dass in den Artikelstammdaten alles durcheinander wäre. Für ein komplettes Neu-Aufsetzen war keine Zeit, so dass ich mit dem Kollegen gemeinsam die Nacht hindurch nach der Ursache geforscht habe, um mit den richtigen Tools die Korrektheit der Daten wieder herzustellen.
Ich habe es geschafft – der Kunde konnte am nächsten Morgen wie geplant starten.
Aber das sind die aufregenden Momente, wo volle Konzentration gefordert ist und am Ende die Aussage “Du bist die Heldin des Tages” als Belohnung steht.

WIT: Wohin möchtest du dich zeitnah beruflich und persönlich weiter entwickeln?
Anette: Ich möchte meine Coworking-Community weiter ausbauen und mehr Frauen und Mädchen durch meine Kurse erreichen.
Parallel besuche ich immer wieder Fortbildungen, um neue Techniken zu erlernen.
Ich mache bei der SkillHer-Initiative von Microsoft mit und beschäftige mich mit Künstlicher Intelligenz.

WIT: Wer sind deine persönlichen oder beruflichen Role Models?
Anette: Ich habe die Biografie von Steve Shirley gelesen und fand sie sehr beeindruckend.
Ich hatte tatsächlich in meiner Jugend keine Role Models, an der Uni leider auch nicht,
Ich hatte eine Großtante, die sehr unabhängig war und die ich sehr gemocht habe.
Heute versuche ich stets, noch eine bessere Version meiner selbst zu sein.

Kommt gerne auf meine Seiten www.itsfemale.de und www.mue43.de.
Und kommt mich auch gerne in meinem Coworking Space besuchen, ich tausche mich immer gerne mit gleichgesinnten Menschen aus!

WIT: Vielen Dank für das Interview, Anette!

 

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